Laufbericht von Susanne Wiegank
Sammeln kann eine Leidenschaft sein...warum nicht auch Marathonläufe an verschiedensten Orten?
In diesem Jahr ging es mit Freunden während der weißen Nächte ins Venedig des Nordens nach St. Petersburg.
Da unsere „russischen Freunde“ von einst den hiesigen Politchefs nicht mehr ganz so nahe stehen, ist man mit „Schulz-Sportreisen“ in der Organisation als absoluter Russlandkenner und -liebhaber
auf der sicheren Seite. Schon die Vorbereitung beginnt als Experiment bei der Visabeschaffung...ohne „Rückkehrwilligkeitsbescheinigung“ (was immer das auch so richtig ist?) geht nichts!
Anflug auf „Leningrad“ (steht neben dem aktuellen Namen tatsächlich noch am Flughafengebäude) nachmittags am 25.6.mit anschließender Passkontrolle a la DDR-Erinnerungen:
… stillgestanden, kein Miene verziehen, bloß nicht auffallen, nicht Sibirien... Alle Papiere in Ordnung, das „Schulz-Team“ bringt uns per Bus in die Zarenmetropole und stimmt uns ein auf
russische Kultur und Seele. Schon am Abend nach einem Begrüßungsessen mit russischen Spezialitäten und kurzer Vorstellung der Truppe ziehen wir in die „weißen Nächte“ an der Newa, wo nach
Mitternacht alle Brücken beleuchtet geöffnet werden und die großen Schiffe in und aus dem Hafen fahren. Ein besonderes Licht verzaubert den Himmel, es wimmelt von Menschen, ausgelassen und
stimmungsvoll, die alle das große Spektakel des Sommers genießen wollen.
Am nächsten Tag erobern wir die Stadt per Bus...bei den Weiten besser als zu Fuß...Newskij-Prospekt, Isaak-Kathedrale, Blutskirche, Admiralität...die Stadt pulsiert, überall Menschen, Touristen aller Nationen ,Straßenkünstler ,Händler, Studenten...das ist nicht mehr das Leningrad vom Studentensommer aus den 80er Jahren! Besuch der Eremitage...eine Wucht von Kunstschätzen aus aller Welt in riesigen Palastsälen nicht enden wollend. Dieser Reichtum konzentriert ...im Gegensatz dazu das arme einfache russische Volk...Sturm aufs Winterpalais 1917! Wir erinnern uns an den Russischunterricht von einst! Der Panzerkreuzer „Aurora“ allerdings neben der Peter-Paul-Festung liegt z.Zt. nicht in der Stadt.
Am Abend...Kunstgenuß mit persönlichen Überraschungsgästen aus dem Fanpool...Tochter Lotti mit ihrem Freund Nikolai (Student in Petersburg) laden uns in die Oper ins Michailowskie-Theater ein. So erleben wir neben Musik auch die traditionelle Kunstliebe des russischen Publikums.
Allmählich steigt die Aufregung für den morgigen Lauf. Gemeinsam werden am nächsten Vormittag die Startunterlagen in hotelnaher Sporthalle abgeholt...ein kleine eher bescheidene Messe aber voller enthusiastischer Organisatoren.
Mein Russisch von einst ist verschüttet..die Informationen werden ein Mix aus russisch und englisch. Am Nachmittag geht’s mit dem Schnellboot zur Entspannung der Glieder nochmal raus bei herrlichstem Wetter an die Ostseeküste nach Peterhof, der Sommer-residenz der Zarenfamilie und als das russische Versailles bezeichnet.
28.06.2015...gut geschlafen und gefrühstückt geht’s für uns elf Marathonis und den fünf 10 km Läufern per pedis oder Metro ( 1Station) den Newskij-Prospekt runter zum Winterpalais bei Super-Wetter: Sonne und leichte Meeresbrise! Der Palastplatz ist gefüllt...
jeweils ca. 3000 Läufer auf der langen und kurzen Strecke stürmen um 9.00Uhr nicht das Palais sondern unter Jubel vom Platz. Die Sightseeing-Tour beginnt! An der Admiralität mit dem goldenen
spitzen Turm vorbei geht’s zum
Alexandrowski Garten mit der Statue des reitenden „Peter der Große“ und dem Senatsplatz Richtung Newa. Hier werden von den Läufern die ersten Brautpaare bejubelt, die traditionell in
Petersburg fast im „Sekundentakt“ hier zur Tat schreiten. Und schon geht’s rüber auf die Petrograder Seite entlang der Universitätsgebäude an vielen Schiffsanlegern auch alten Wikinger-schuten
vorbei zur Peter-Paul-Festung immer begleitet von einer frischen Brise.
Jetzt heißt es Tschüß-sagen meiner 10 km-Freundin Helga. Sie biegt ab über die Newa zurück zum Winterpalais. Wir ziehen weiter gen Norden. Die Sonne wird langsam kräftiger, ohne Basecap
gefährlich. Alle 5 km gibt’s ausreichend Wasser oder Iso, die Stimmung ist ausgelassen. Zum Glück kommen wieder Baumalleen und Grünanlagen mit Vergnügungs- und Sportzentren, Ausflugsgebiete
küstennah für Camping und Kleinbootfreunde. Man spürt die Nähe des finnischen Meerbusens, keine Großstadtatmosphäre. Die große Nordrunde ist geschafft, es geht wieder über die Newa mit Blick auf
die Stadtsilhouette. Die wichtigsten goldenen Spitzen der Kirchen und Paläste sind schon vertraut. Nach 25 km wird es nun gemütlich, mitten in der Stadt schön heiß und wenig Wind am
Fontankakanal entlang. Venedig kommt mir in den Sinn... Kanäle und Hitze und sinkende Motivation. Aber dann am Rand wieder ein cooler Musikant oder eine spritzige Schülergruppe mit
„ Dawei, Dawei...“ Da kann man doch einfach nicht stehen bleiben! Newskij-Prospekt erreicht..
Kilometer 30...die Passanten sind gut drauf...und keine Sibirienstrafe in Aussicht! Was will man mehr?
Kilometer 31,5 Höhepunkt erreicht.... Standort von Hauptfangruppe mit deutschem Outfit!( Hartmut hatte schon Blasen an den Fingern vom Trommeln, wurde höchste Zeit, dass ich komme).
Bei 35 ist wieder die Newa in Sicht zu rechter Hand, leider nicht die maritime sondern mehr die Schnellstraßenvariante mit Powergegenwind..Augen zu und durch! Aber dann: Überraschung bei 40 km
...ein Schild „Zar Peter ist groß! Aber Ihr seid Größer“... das konnte nur von Lotti und Nikolai sein!
Das hatte mehr Wirkung als jedes Powergel...und nun nur noch schnell um die stürmische Ecke am Winterpalais , die obligatorische Blume vom Ehemann und rein ins Ziel!!!
Bei herrlichem Sommerwetter lagen nun die müden Glieder noch ein wenig neben Matroschka und Katharina der Großen … um dann den Abend mit einem Banja-erlebnis sprich echte russische Sauna mit Birkenreisig und rustikalem russischen Abend mit Pelmenij und Wodka in lustiger Runde mit den anderen Truppenteilen ausklingen zu lassen ... und morgen?
Do swidanjia … und neue Pläne schmieden!